.........Die Fahrt von La Rochelle nach Cressac dauerte knapp zwei Stunden und etwas müde kamen die beiden endlich an. Das Fahrzeug stellten sie auf einer Wiese ganz in der Nähe der Chapelle des Templiers ab. Eigentlich handelte es sich hier um eine Kapelle, die um 1150/1160 erbaut wurde und das besondere daran waren die Malereien im Inneren. Sie stellten einige Szenen von Templern im Kampf gegen die Sarazenen dar. Die Begrüßung des freundlichen alten Herren war sehr herzlich und die gesamte Führung, die letztendlich vier Stunden dauerte, war auf Französisch. Monsieur Tardat war sehr bemüht, seinen beiden Österreichern im schönsten Französisch und mit einfachen Vokabeln die Fresken und den Baustil dieser wunderschönen Templerkapelle näher zu bringen. Beim Betreten dieses imposanten Gotteshauses waren die beiden Salzburger berührt. Die Fresken aus dem späten 12. Jahrhundert haben einst das gesamte Innere der Kapelle bedeckt, erklärte ihnen Monsieur Tardat mit wehmütigem Klang in der Stimme. Eine der Szenen an der Nordwand zeigte Tempelritter, die aus einer Burg galoppieren, um sich zurückziehende Sarazenen zu suchen. „Es dürfte sich um die Schlacht der Kreuzfahrer 1163 in der Ebene von La Bocqué handeln, die von den Tempelrittern ge‐ wonnen wurde. An den Zinnen sind die Bewohner dargestellt, die zusehen, wie die Kreuzritter die flüchtenden Moslimen verfolgen. Die Kreuzritterarmee bestand aus einem Kontingent von Charentaisern, darunter der Bruder des Grafen von Angoulême Geoffroy Martel“, erklärte Monsieur Tardat voller Eifer. Die beiden Österreicher hatten anfangs Mühe, die Erklärungen zu verstehen, doch nach und nach gelang es ihnen immer mehr, in diese Sprache einzutauchen. Sie verstanden nicht jedes Wort, aber der Sinn kristallisierte sich im Laufe der Erklärungen immer besser heraus. Der liebevolle ältere Herr beschrieb weiter das Szenarium und deutete auf den unteren Teil: „Im unteren Bereich sind Kampfszenen und das Lager von Sarazenen dargestellt. Die Kämpfer wurden erkennbar mit Details hervorgehoben. Das Rundschild und der Sattel mit dem Knopf, sowie die dunkle Hautfarbe waren für die Darstellung für die Sarazenen gedacht. Den Längsschild, das Kettenhemd, sowie der Nasenhelm und der erhöhten Sattel galt den Franken. Wenn ihr Fragen habt oder etwas nicht verstanden habt, sagt es mir bitte. Ich habe den ganzen Tag Zeit“, fügte der freundliche Mann hinzu. Als Elisabeth und Herbert nickten und dem ganzen nichts hinzuzufügen hatten, setzte er die Führung fort: „ An manchen Rittern ist auch das Tatzenkreuz abgebildet. Weiter rechts sieht man im Hintergrund die französischen Lilien. Ein Zeichen des französischen Adelsgeschlechtes.“ Die beiden Salzburger wussten dies bereits und nickten wissend. Als sie an der Rückseite der Fassade gelangt waren, änderte sich die Darstellung. Links oben neben dem Fenster war ein Ritter ohne Pferd abgebildet, der mit Schwert und Schild ausgerüstet war. „Das dürfte wahrscheinlich eine Darstellung des Heiligen Georg sein. Daneben steht eine reiche Frau, die er zu beschützen versucht. Man sieht übrigens an der Kleidung, dass es sich um eine reiche Person handeln muss. Parallel dazu, rechts vom Fenster, steht eine gekrönte Frau und ein gekrönter Ritter. Sein Pferd steigt auf den Kopf eines Mannes. Dies ist wahrscheinlich eine symbolische Anspielung auf den Sieg des Christentums über den Islam, es kann auch als Triumph über das Heidentum interpretiert wer‐ den“, setzte Monsieur Tardat voller Eifer seine Erklärungen fort. Plötzlich kamen ein paar junge Leute in die Kapelle und begrüßten Monsieur Tardat, als ob sie ihn bereits gut kennen würden. Erfreut grüßte der Guide zurück und entschuldigte sich bei den beiden Hobbyforschern. Augenscheinlich handelte es sich um ein paar junge Künstler, mit Sicherheit waren es Studenten, und sie begannen ein angeregtes fachliches Gespräch über die soeben besprochenen Fresken. In der Zwischenzeit sahen sich Herbert und Elisabeth noch genauer um und entdeckten neben dem Fenster ein weiteres Symbol. Ein in einen Kreis eingerahmtes Tatzenkreuz. Links oben ein Stern, rechts daneben das Zeichen für Alpha und unten zwei Kreise mit jeweils einem Punkt in der Mitte. „Sieh mal! Das Sonnensymbol“, machte Elisabeth ihren Mann aufmerksam. „Ja du hast recht. Auch das Goldsymbol genannt“, stimmte er seiner Frau zu. „Wie‐ der ein Hinweis auf die Alchemie“, grübelte Elisabeth. Kurz darauf kehrte Monsieur Tardat zu ihnen zurück: „Entschuldigt mich bitte, aber das waren begabte Studenten, denen ich noch einiges erklären durfte. Hier auf der rechten Seite neben dem Fenster seht ihr ein Boot mit zwei Personen, das eventuell eine Anspielung auf die Überquerung des Meeres durch die Kreuzfahrer sein könnte. Davon bin ich übrigens auch überzeugt, denn die Templer waren gute Seefahrer.“ Die beiden stimmten dem Mann zu. „Wenn ihr wollt, könnt ihr euch in Ruhe umsehen. Wir haben hier auch einen Souvenirstand, ihr könnt dort Abbildungen der Fresken kaufen“, beendete der Mann die recht aufschlussreiche und interessante Führung. Hellauf begeistert kauften sich Herbert und Elisabeth ein paar Kopien dieser Fresken und bedankten sich für die ausgezeichnete Führung. Herbert fotografierte noch ganz akribisch, dabei ließ er kein Detail aus und Elisabeth ließ die Fresken noch eine Zeit lang auf sich wirken. Nachdem sie Monsieur Tardat für seine Leistung bezahlt hatten, kehrten die beiden von den enormen Eindrücken recht erschöpft in ihre Unterkunft zurück. „Weißt du, was wir jetzt machen?“, sagte Herbert zu seiner Frau voller Freude. „Wir haben uns jetzt einen guten Kaffee und Crepes verdient. Fahren wir in die Ortschaft Soulac und genießen den Sonnenuntergang am Strand.“ Elisabeth war von der Idee begeistert: „Ja das machen wir. Aber vorher möchte ich unbedingt noch einmal in die Templerkirche Notre‐Dame‐de‐la‐Fin‐des‐Terres, die hat mich einfach in ihren Bann gezogen. Ich finde diese eigenartigen Figuren an den Kapitellen einfach nur magisch. Der gesamte Innenbereich hat etwas Faszinierendes an sich.“ Herbert zog skeptisch seine linke Augenbraue hoch: „Du hast nach diesem eindrucksvollen Tag, der vollgespickt war mit Informationen, den Kopf für weitere Eindrücke frei?“ „Es handelt sich hier‐ bei doch nicht um neue Eindrücke, sondern um Vertrautes. Und dann genießen wir das rege Treiben in der Fußgängerzone und der Geschäftsmeile“, zwinkerte ihm seine Frau voller Euphorie zu. „Du hast ja recht. Das geht sich alles noch gut aus. Aber dann sind wieder ein paar Tage Erholung angesagt“, stimmte Herbert seiner Frau zu und musste dabei schmunzeln.